Aus seinen persönlichen Briefen


Ab 18. Juni 1907 - Überfahrt mit dem Dampfer „Kaiser Wilhelm der Große“ von Bremen nach New York

Reinhold Burger, Überfahrt nach New York mit dem Dampfer „Kaiser Wilhelm der Große“ 1907
Reinhold Burger, Überfahrt nach New York mit dem Dampfer „Kaiser Wilhelm der Große“ 1907

Am 18. Juni 1907 begab sich Reinhold Burger von Bremen aus auf eine dreimonatige Reise nach New York, um am Aufbau der „American Thermos Bottle Co.“ mitzuwirken. Es war seine dritte USA Reise.  Während der Überfahrt schrieb er einen Brief an seine Frau, aus dem hervorgeht, dass er von zwei Glasbläserkollegen aus Deutschland begleitet wurde. Ihr Ziel war es, das Fachwissen zur Herstellung von Thermosflaschen an amerikanische Glasbläser weiterzugeben. Es war ebenfalls zwischen der Thermos Gesellschaft und der Amerikanischen Thermos Bottle Co. (als Tochtergesellschaft) vereinbart, dass Burger mit deutschen Maschinen und Technologien das erforderliche Know How nach Amerika transferieren wird, um eine solide Basis für die Errichtung der Thermosfabrik zu legen.

 

 Auszüge aus einem Brief an seine Frau von der Überfahrt nach New York:

 

 20. Juni:

…Cherbourg erreichten wir gestern Abend 8 Uhr. Natürlich blieb unser Dampfer wie auch in Southampton draußen liegen und kleinere Dampfer brachten Gepäck und Passagiere an Bord.

Gestern Nacht waren wir im Ozean und das Schaukeln fing an und wird jetzt immer stärker. Die größte Zahl der Passagiere sind wie immer auf diesem Dampfer Amerikaner. Überall wo man hinhört wird englisch gesprochen….

Es sind schon viele Leute seekrank geworden, namentlich in der zweiten Cajüte. Ich bin bisher verschont geblieben und hoffe, dass ich die Seekrankheit wieder nicht bekommen werde…

 

21. Juni:

Die Schaukelei geht lustig weiter, der arme Heinz (Glasbläser aus seiner Firma) ist ganz jämmerlich Seekrank geworden, während Hase (Glasbläser aus seiner Firma) sehr tapfer blieb…Ich bin ordentlich froh I. Class gefahren zu sein. ll. Class ist hinten und das Geräusch der Maschinen ist schauderhaft zu hören. 5/6 der zweiten Klasse ist mindestens Seekrank. Ich habe wie ein Murmeltier geschlafen und einen guten Appetit entwickelt.

Von Bremen aus saßen wir an der  Tafel nach belieben. Von Cherbourg aus bekam jeder Passagier seine Nummer und den Platz angewiesen, Ich sitze vorm 1. Offizier als dritter - Vis a vis ein amerikanisches Pärchen. Bisher hatte ich gefunden, dass Dein Zungenschlag ganz normal war, aber gegen die Amerikanerin ist Deine Zunge angewachsen, Du kannst dir lebhaft vorstellen, wie ich das meine.

In meinem ersten Brief betonte ich schon, dass das Diner ausgezeichnet ist. Doch gestern gab es unter anderen Kapern mit Himbeertunke. Ich kann nicht beurteilen, ob das in Ordnung oder eine Geschmacksverirrung ist…

 

22. Juni:

Heute Morgen bekamen wir gedruckte Tischkarten- respekt- Tischordnung. Links gegenüber von mir sitzt ein Ehepaar aus Leipzig. Gesehen habe ich bisher die eine Ehehälfte nur, die andere Hälfte liegt unten und ist seekrank. Er und sie machen eine Vergnügungstour durch die amerikanischen Staaten und können kein Wort Englisch. Ich würde ohne englisch diese Reise mit Frau nicht unternommen haben….

 

23. Juni: 

Gestern Abend bekamen wir zum ersten Mal Nebel. Das Nebelhorn wird jede Minute in Funktion gesetzt und hört sich schaurig an…

Heute ist Sonntag, frühmorgens 7 Uhr wurden in der Nähe meiner Kabine von der Schiffskapelle, 2 Choräle geblasen, welche, da ich noch im Bett lag, recht hübsch sich anhörte…

Briefkopf vom Dampfer „Kaiser Wilhelm der Große“ 1907
Briefkopf vom Dampfer „Kaiser Wilhelm der Große“ 1907

24. Juni:

„…Die Amerikanerinnen entwickelten gestern große Toilette, natürlich hat das bei den Leuten einen Zweck nämlich den, dass es doch neue Sachen aus Paris London und etc. sind und sie folge dessen beim Landen Zoll zahlen müssen, wird es auf dem Schiff getragen und gilt dann beim Zollbeamten für  alt und ist zollfrei…

Die hauptsächlichen Neuigkeiten welche auf dem Land irgendwo passieren, erfahren wir durch die drahtlose Telegraphie. Die neuesten Depeschen werden angeschlagen..

Gestern Abend als wir nach dem Diner auf Deck kamen, waren wir überrascht das Deck durch bunte Glühlampen und Fahnen ausgeschmückt vorzufinden.  Bald darauf  kam die Musik, setzte sich zwischen 1. und 2. Klasse und spielten lustige Tänze. Die junge Welt hat in beiden Klassen lustig getanzt, hauptsächlich den Cake Walk tanzten sie gut.

Das Schiff geht seit einigen Tagen so ruhig, wie ein Äppelkahn auf der Spree, ich muß gestehen, dass ich noch niemals so ruhig und glatt gefahren bin, doch man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, es können sich noch immer Zwischenfälle ereignen…“

25. Juni:

„Gestern Abend zum Diner wurde uns wieder eine Überraschung zu theil. Der Speisesalon war ausgeschmückt mit Girlanden und bunten Glühlampen. Die Damen erschienen alle mit großer Toilette, manche sogar mit ausgeschnitten. Die Herren fast durchgängig in schwarzem Gesellschaftsanzug. Einige Herren, darunter auch ich, stießen sehr ab. Obwohl mir dieses eigentlich Wurst ist, werde ich mir doch wohl noch einen schwarzen Anzug in New York machen lassen. Natürlich nur dann, wenn sich eine unbedingte Notwendigkeit herausstellen sollte. Zum Schluß des Diners wurde von den Stewards ein Fackelzug durch den Speisesalon veranstaltet welcher wirklich Erregung aussah. Voran wurde von … die deutsche Kaiserkrone getragen, ebenfalls erleuchtet. Zum Schluß wurde auf erleuchteten Schüsseln Eis gereicht. Bei aller Herrlichkeit tutete gar schaurig das Nebelhorn und ein oder zwei Etagen tiefer haben russige Heizer, welche sich bei ungeheurer Hitze ihr täglich Brot verdienen müssen.

So angenehm der letzte Abend war, so unangenehm war die Nacht, jede Minute tötete das gräuliche Nebelhorn, an Schlaf war daher wenig zu denken….

Heuet Abend sollen wir landen können. Ich bin wirklich neugierig, wie sich New York verändert hat. 

So nun hast Du eine kurze Reisebeschreibung, diesen Brief stecke ich in den Postkasten unseres Schiffes und wird derselbe bei Ankunft geleert und gehen die Briefschaften mit dem ersten besten Dampfer nach Europa….“


8. Juli 

Meine liebe Lotte!
Am Sonnabend erhielt ich Deinen ersten Brief und war sehr erfreut, dass Du ohne Nachteile wieder nach Röntgenthal zurückgekehrt bist…

Hier werde ich oft als Professor Burger aus Berlin  vorgestellt. Natürlich glaubt derjenige der es sagt nicht, auch der nicht zu dem es gesagt wird und ich am allermeisten. Das ist aber nun amerikanische Mode und geklappert muss werden. Am Sonnabend war ich mit 5 Amerikanern per Automobil nach Coney-Island. Ein Seestrand an welchem viel Badeplätze sich befinden und auch Rutschbahnen, Karussells und wer weiß was für Humbug.

Ich kann Dir nur versichern, niemals habe ich derartiges gesehen.

Die verschiedenen Etablissements sind groß und voller Unsinn, dass kein Fremder dergleichen beschreiben kann. Ich schätze die Glühlampen z. B. auf einige Millionen Stück und sind wundervoll arrangiert. Wir waren bis 1 Uhr Nachts dort und haben uns sehr gut amüsiert. Wir hatten viele Rutschbahnen und dgl. benutzt. In Berlin würde so etwas polizeilich nicht gestattet werden. Weiter auch sind wir mit einem Bote, welches in einer Höhe von ca. 6 Stockwerke steil herunter ins Wasser schießt, mitgegondelt. Da kannst Du Dir wohl denken, dass das Wasser, wenn das Boot hinein rollt, meterhoch spritz und die Weiber laut aufschreien. 

Luna Park New York, Die Wasserrutschbahn 1907
Luna Park New York, Die Wasserrutschbahn 1907
Der Luna Park am Abend mit seinen Millionen Lampen 1907
Der Luna Park am Abend mit seinen Millionen Lampen 1907

Der gleiche Mumpitz hatten wir den ganzen Abend mitgemacht. Ich glaube der ganze Abend hat den Leuten hier 20 Dollar gekostet. Unterwegs wurde in einem Clubhaus angehalten und Abendbrot gegessen.

Die Herren nehmen mich sehr oft in ihre Clubhäuser, dieselben sind hier fürstlich ausgestattet. Gestern, Sonntag bin ich wieder per Auto von meinem Hotel abgeholt worden und wir haben bei einer amerikanischen Familie Mittag gegessen. Mit deutschen Leuten habe ich diesmal gar nichts zu tun. Den Nachmittag gondelten wir wieder nach Coney-Island und setzten uns an den Meeresstrand und sahen den badenden Männlein und  Weiblein zu. Hier badet alles durcheinander. Die milde Luft und das warme Wasser forderten ein geradezu zum Baden heraus, doch ich will dergleichen nicht mitmachen.

Gestern Abend aß ich in New York neuen Matjeshering mit Pellkartoffeln Preis MK 1,60, 2 Glas Bier a Glas 0,40 MK macht 2,40 MK. Ich gebrauche sehr viel Geld für den Aufenthalt. Gestern Morgen ließ ich mir die Stiefel  für 0,20 MK putzen usw..

Unsere Sachen sind immer noch nicht hier, der Dampfer muß viel Verspätung haben und sitzen wie immer da, ohne etwas arbeiten zu können…


15. Juli 1907

Burgers Hotel in New York 1907, Aufbau der „American Thermos Bottle Co.“
Burgers Hotel in New York 1907, Aufbau der „American Thermos Bottle Co.“

Meine Liebe Lotti,

vor etwa 8 Tagen schrieb ich an Ferdinand Stuhl nach Philadelphia, mit dem ich vor etwa 18 Jahren ausgewandert bin. Da ich dessen Adresse nicht mehr recht wußte so schrieb ich an seine alte Adresse, nach 4 oder 5 Tagen traf seine Antwort ein, die Post hatte ihn nach langem Suchen gefunden. Er teilte mir mit, dass er am Sonntag nach New York kommen wollte, und war nun gestern hier. Seine erste Frage war natürlich die, was für eine Fabrik ich hier einrichten wolle. Ich klärte ihn auf und seine Verwunderung war sehr groß…

Vorgestern habe ich endlich die Sachen aus Berlin bekommen, jedoch sind sie noch nicht ausgepackt. Die ganze Einrichterei geht hier einen Schneckengang und ist kein Ende abzusehen…


22. Juli 1907 - Brief an seine Frau aus Brooklyn/ New York

Briefkopf der „American Thermos Bottle Co.“ in New York 1907
Briefkopf der „American Thermos Bottle Co.“ in New York 1907

…Am Sonnabend den Zwanzigsten des Monats bin ich mit einem der Herren hier nach Philadelphia gefahren. Freund Stuhl erwartete uns am Bahnhof. Gerade wie wir ausstiegen herrschte ein ungeheures Gewitter mit Regenfall, mein Strohhut wurde fürchterlich schmutzig. Doch habe ich ihn am nächsten Tag in Philadelphia von einem Stiefelputzer, welcher auch Hüte wäscht, waschen lassen und ist der Hut wieder sauber geworden.  Wir sind sogleich alle drei weitergefahren nach einer Glashütte, um uns den Betrieb usw. anzusehen…

Den Sonntag verbrachten wir in einem hübschen Vorort von Philadelphia. Wir setzten uns in eine große Halle unter in welcher ungefähr 20.000 Menschen Platz haben und lauschten der wirklich hübschen Musik. Selbstverständlich durfte, da es Sonntag war, kein  Tropfen Bier verschankt werden. Es gab nur Wasser, Selters, Soda usw. Die Musik war frei, Entree wird nicht erhoben.

Das Wetter hat sich durch das erwähnte Gewitter endlich etwas abgekühlt. Ich registrierte letzte Woche in meinem Schlafzimmer im Hotel 29 Grad Celsius. Die Hitze war eigentlich weniger schlimm, aber die große Feuchtigkeit welche hier herrscht, macht den Aufenthalt unerträglich, 80 bis 95 Prozent Feuchtigkeitsgehalt wurde gemessen. In Philadelphia wurden vergangene Woche an einem Tag 2.500 Personen vom Hitzschlag getroffen. Wir braten hier und ihr in Deutschland friert.

Mit der Einrichtung geht es hier wahrhaftig sehr langsam, hoffentlich wird nun bald ein schnelleres Tempo eingeschlagen. Ich wäre froh, wenn ich erst aus diesem Lande weg wäre…

Als Drucksache sende ich Dir einen Speisezettel von dem Restaurant wo ich immer esse. Du kannst Dir mal die Preise und auch die reichhaltige Auswahl ansehen…

Konzert vom Orchester Victor Herbert am 21. Juli 1907 in Philadelphia
Konzert vom Orchester Victor Herbert am 21. Juli 1907 in Philadelphia
Speisekarte von 1907 vom Lakeside Cafe
Speisekarte von 1907 vom Lakeside Cafe

9. September 1907

…. Viel habe ich Dir diesmal nicht zu berichten als das ich gedenke am 17. September mit der Cecilie abzureisen. Ich telegraphiere an die Thermosgesellschaft andere Sachen und auch wann ich Abreise.

Bei Aschenbrenner kannst Du Dich erkundigen, ob Telegramm eingelaufen ist.

Fast alle Sonntage bin ich bei einer amerikanischen Familie eingeladen worden, welche ich auch stets angenommen habe. Es waren sehr nette Leute. Ich erzähle Dir später davon…

Ich hoffe gesund und munter in Deutschland einzutreffen und Euch ebenfalls bei guter Gesundheit vorzufinden.

Grüße alle Verwandten